Südamerika muss man kulturell wie reisetechnisch in zwei Regionen aufteilen: der Norden mit Kolumbien, (Venezuela), Equador, Peru und Bolivien ist eine Welt für sich, abgegrenzt - um nicht zu sagen abgeschottet - vom Süden des Kontinents mit Chile, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien.
Hier geht's um den Norden [1]. [Hier um den SÜDEN]
Entspanntes Reisen
Reisen in den genannten Staaten ist relativ entspannt. Die Abfertigung an den Grenzen erfolgt in der Regel unkompliziert - wenn auch etwas zeitaufwändiger als weiter im Süden. Die Abfertigung bei Migracion (Pass) und Adouana (Fahrzeugein-/ausfuhr) ist in allen Ländern Pflicht und überall wird der Reisende - respektive sein Fahrzeug - in lange Listen eingetragen. Gelegentlich per Computer, gelegentlich auf dem Papier, jedenfalls immer ausführlich. Dass die Grenzer mit europäischen Reisenden noch nicht so viel Übung haben, wird ihnen sicher jeder nachsehen. Drängeln und Ungeduldig-dreinschauen hilft jedenfalls in den wenigsten Fällen. Die Inspektion des Fahrzeugs fällt in der Regel eher interessiert als penibel aus.
Für das Fahrzeug sollte eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden, die an kleinen Kiosken an der Grenze zu bekommen ist. Für durchreisende Touristen ist sie in jedem Fall sinnvoll - und wird gelegentlich kontrolliert. (Ausnahme Bolivien: dort kann man als Durchreisender keine Versicherung abschließen). Die meisten Einheimischen fahren völlig ohne Versicherungsschutz. Dagegen könnte man sich durch eine Kasko-Versicherung schützen (wobei unklar ist, ob sie in diesen Ländern auch bezahlt) - oder aber durch einen noch defensiveren Fahrstil! Billiger und verlässlicher ist der allemal.
Die (Verkehrs-)Polizei ('Transito') steht in manchen Ländern nach wie vor im Ruf, korrupt zu sein und Reisende anzuhalten, um die eigenen Taschen zu füllen. Großteils ist davon nichts zu spüren, die Transito in Guayaquil (siehe hier) bildet die unrühmliche Ausnahme!
Campt man - wie ich - häufig in der Pampa, passiert es, dass man abends oder nachts von der örtlichen 'Gendarmeria' aufgesucht und überprüft wird. Geht meist - nach Klärung des Herkunftslandes ('Alemania' wirkt wie ein Zauberwort) - eher freundlich und korrekt über die Bühne. Gelegentlich wird man allerdings gebeten, sich einen anderen Stellplatz zu suchen - oder wird gar zur Polizeistation eskortiert, wo man dann ungestört (und unter Aufsicht) stehen kann.
Nicht völlig abschalten sollte man in keinem dieser Länder den 'gesunden Menschenverstand', gerne auch als 'Bauch-Gefühl' bezeichnet. Nicht alle Plätze sind wirklich sicher und die Unterschiede zwischen 'arm' und 'Reisenden' sind gewaltig! An notorisch berüchtigten Plätzen wird man meist von den Einheimischen darauf aufmerksam gemacht (Nachbarn oder Polizei), andernorts hilft oft das genannte Bauchgefühl, das man als Reisender mit der Zeit entwickelt. Hat man irgendwo ein schlechtes Gefühl, hilft nur eines: Weiterziehen! Und - um ganz ehrlich zu sein: eine Portion Glück gehört ebenso dazu!
Aber: in all den Ländern habe ich mich nur ein einziges Mal ein wenig unsicher gefühlt: das war bei der Überquerung der Cordillera Central im Süden Kolumbiens, einer einsamen und miesen Wegstrecke, die damals noch von den FARC-Rebellen kontrolliert wurde (und auf der ich tatsächlich einige Guerillas mit Gewehren nahe der Piste gesehen habe; die allerdings schnell im Dickicht verschwanden, als sie den Touri kommen sahen).
Zusammenfassend würde ich das Reisen in den genannten Ländern mit dem eigenen Fahrzeug als 'äußerst lohnende Herausforderung' bezeichnen, in den Großstädten Lima und Bogota vielleicht eher als 'Challenge'.
Menschen:
Die Menschen im Norden sind sowas von freundlich, offen und hilfsbereit, dass es schwerfällt, sich nicht in diesen Teil Südamerikas zu verlieben! Andere Reisende stellen oft die karibisch geprägten Kolumbianer als den Gipfel der Freundlichkeit dar, ich persönlich habe die Bolivianos und Peruanos als mindestens ebenso freundlich kennengelernt. Im Grunde möchte ich da gar keine Volksgruppe besonders herausstellen.
Besonders angenehm ist, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft wie im Süden gibt. Richtig, es gibt massive Unterschiede zwischen arm und reich, das soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. Doch die indigene Bevölkerung (in Bolivien fast 95%) wird akzeptiert, ja sie ist die tragende Säule des täglichen Lebens. Und jeder ist freundlich und hilfsbereit, selbst dem unbedarften Touristen gegenüber. Mit keiner Region der bisherigen Reise verbinde ich so viele angenehme Erinnerungen wie mit diesen vier Ländern. [2]
Lärm:
An Lärm stört sich in ganz Südamerika keiner! Egal, ob schreiende Kinder, bellende Hunde, ohrenbetäubende Musik oder die auspuffbefreiten Mopeds: ohne Lärm geht es nirgendwo ab. Das gehört hier einfach dazu. Ohne Lärm kein Leben - oder so ähnlich. Zwei Dinge können weiterhelfen: Ohropax oder Reißaus nehmen (sprich antizyklisch fahren).
Sprache:
Ich muss nicht extra erwähnen, dass man in Kolumbien, Equador, Peru und Bolivien Spanisch spricht. Neben einigen hundert lokalen Dialekten bzw. Quetschua in Peru und Bolivien. Bleibt anzumerken, dass hier das Catalán, das 'offizielle' Spanisch sehr sauber, unverfälscht und verständlich gesprochen wird. Kein Vergleich mit den Ländern weiter im Süden! So konnte selbst ich mit meinen kaum fünf Brocken Spanisch so manch nette Unterhaltung bestreiten.
Mit Englisch kommt man übrigens gar nicht weit! Selbst in den wenigen Touristenzentren wird kein nennenswertes Englisch gesprochen. Ihr kommt also nicht darum herum, die Spanisch-Schulbank zu drücken. In allen größeren Städten - aber auch in einigen fortschrittlichen Kommunen werden daher Spanischkurse - auch für Touristen - angeboten. Preiswert, meist mit deinem ganz persönlichen Lehrer und damit recht effizient. So erhaltet ihr auch schnell und unkompliziert Einblick in die jeweilige Landeskultur.
Müll:
Müll, Abfall und Sauberkeit sind im nördlichen Südamerika ein mächtiges Ärgernis. An jeder passsenden und unpassenden Stelle finden sich wahre Müllberge! Nicht nur die allgegenwärtigen Getränkeflaschen, auch Tüten, Verpackungen, Unrat aller Art wandern einfach an den Straßenrand. Oder werden dort fallengelassen, wo man gerade isst. Gerade die etwas 'besseren' Herrschaften verlassen sich gerne darauf, dass hinter ihnen schon jemand aufräumen wird - was in der Natur natürlich niemals passiert! [3]
Die Müllsammlung in den wenigen Kommunen, die so etwas haben, erfolgt über Plastiksäcke, die dem Helfer am Müllwagen - einem einfachen, offenen LKW - übergeben und bezahlt werden müssen. Ich habe aus Furcht nicht nachgefragt, was mit dem gesammelten Müll später passiert; ich vermute jedoch, er wird 'irgendwo' außerhalb des Dorfes in die Landschaft geschüttet und mit einem hohen Sichtschutz umgeben. Ähnliche Müllhalden jedenfalls sah ich zuhauf.
Auch zu den Tausenden von Plastiktüten, die in jedem Tante-Emma-Laden und in jedem Supermarkt täglich über den Tresen wandern, könnte ich mich stundenlang auslassen. Nicht nur einmal erntete ich verständnisloses Kopfschütteln und verunsicherte Rückfragen, als ich an der Kasse meine Einkaufstasche aus Stoff hervorkramte. "Sollen wir das nicht besser vorher in Plastik einpacken?"
Generell muss in diesen Ländern noch sehr viel Umweltbewusstsein, noch sehr viel Müllbewusstsein geschaffen werden! Gehen wir Reisende doch mit gutem Beispiel voran - und halten uns einmal nicht an die oberste Weisheit "Do as the Locals do!"!
Soweit meine ganz persönlichen Anmerkungen zum nördlichen Teil Südamerikas. Unterm Strich waren sie
der interessanteste, faszinierendste und prägendste Teil der bisherigen Reise! Gemeinsam mit Mexiko, sollte ich anfügen.
Darum: wenn es mich nochmals auf den südamerikanischen Kontinent verschlägt - die Chancen dazu stehen gar nicht mal schlecht - so werde ich mich definitiv noch einmal - und noch intensiver - dem Norden widmen!
Rechts geht' weiter zum Resümee über den SÜDEN: Argentinien, Chile, Uruguay, Basilien (S) ...
Die geliebte Statistik:
(Zahlen beziehen sich auf die Strecke Cartagena (Kolumbien) bis Villazón (Bolivien) incl. Exkursionen nach Galapagos; incl. Fixkosten Heimat)
Aufenthaltsdauer: | 239 Tage (7 Monate, 27 Tage) | ||
Gefahrene Kilometer: | ca. 14.700 km | ||
Spritkosten: | ca. 1.585 Euro | ||
Lebenshaltungskosten: | ca. 1730 Euro | ||
Übernachtungskosten: | ca. 666 Euro | ||
Durchschnittliche Kosten pro Tag: [4] | ca. 72 Euro |
Fußnoten:
(die Nummern führen zurück zur jeweiligen Textpassage ...)
[1] Dieses Resümee entsteht erst im Januar 2018, gegen Abschluss der Gesamt-Südamerika-Etappe. Die Erinnerung an die nördlichen Länder sind da leider schon etwas verblasst. Daher fällt diese Zusammenfassung eher kurz aus. Sorry!
[2] Der Osten Canadas sei dabei 'mal ausgeklammert; auch dort hatte ich jede Menge positive Erfahrungen sammeln können.
[3] Ein (hoffentlich untypisches) Ereignis aus Quito (Equador) am Rande: Ein Gruppe von Managern im feinen Anzug geht zum KFC zum Essen. Auf den Tabletts türmen sich 'Chickenwings', Muffins, Nachspeisen, Getränke und Saucen. Nachdem die Herrschaften gespeist hatten, war die Serviererin eine geschlagene dreiviertel Stunde lang beschäftigt, das Restaurant wieder in einen appetitlichen Zustand zu versetzen: die 'feinen Herren' hatten - ganz wie Obelix seine Wildschweinknochen - die abgenagten Hühnerbeine achtlos hinter sich geworfen, zwei Getränke umgeschüttet und die Stühle mit Ketchup und Saucen völlig verschmiert. Nicht wirklich vorbildlich!
[4]
Durchschnittskosten beinhalten neben den eigentlichen Reisekosten auch alle Fixkosten in der Heimat wie Krankenversicherung, Anwalt, Telefon und Mitgliedschaften (BDAE, ADAC) u.ä.